Berichte von 11/2017

Verkehrte Welt

Sonntag, 26.11.2017

Da geht man nichts ahnend zu einem Konzert des Nelson Symphony Orchestra und genießt die nicht aus Kopfhörern dröhnende, sondern live gespielte klassische Musik, und nach einer Stunde setzt der Moderator sich eine rote Weihnachtsmannmütze auf und verkündet frohe Weihnachten, und fünf Minuten später singt man Weihnachtslieder gemeinsam mit hunderten anderen Menschen, begleitet von einem fantastischen Orchester und von der Empore aus spielenden Trompeten und Posaunen. Und das mitten im Sommer. Wahnsinn!

Am Ende des Konzert ist es draußen schon dunkel und kalt, bloß noch ein bisschen Schnee wäre schön. Eigentlich passt aber alles. 

Wenn man allerdings am nächsten Morgen den sogenannten Weihnachtsmarkt besucht, auf dem kaltes Craft Beer, vegane Burger und Eis konsumiert, jede Menge Kunst und in Handarbeit produzierte Haushaltsgegenstände erstanden werden und alle in kurzen Hosen herumlaufen, fühlt sich das schon ziemlich merkwürdig an. Angeblich laufen jetzt selbst die Bankangestellten dauerhaft mit Zipfelmützen rum. Wäre mir aber neu, dass die was verschenken...

Freiheit

Freitag, 24.11.2017

Nach einer Fahrt mit der Fähre von Wellington aus durch die wunderschönen Marlborough Sounds, große Buchten mit dicht bewaldeten Bergen direkt am Wasser, bin ich in Picton gelandet und habe mich einem anderen deutschen Backpacker angeschlossen, um zu zweit die Südinsel zu bereisen. Nach zwei Tagen gemeinsamen Umherfahrens, Wanderns und Campens habe ich festgestellt, dass mich das Reisen, permanent gebunden an eine nette und kompromissbereite, aber dennoch fremde Person mit eigenen Reisevorstellungen, zutiefst unglücklich macht. 

In Nelson habe ich mich also verabschiedet und bin wieder allein unterwegs, ohne Auto, oft planlos, stets ungebunden, zufrieden und voller Erwartung auf das Unbekannte.  

Seit fast einer Woche bin ich hier in einem Hostel und schmiede Pläne und verwerfe sie meist am nächsten Tag wieder. Während einer Wanderung durch den Abel Tasman National Park ist mir aufgefallen, dass das besagte Wandern gar nicht mehr so viel Spaß macht. Ich bin so viel gewandert, habe so viel Natur gesehen, dass die Eindrücke weniger beeindruckend werden, vieles scheint sich zu wiederholen, wird langweilig.

Der aktuelle Plan lautet deshalb, in irgendeine interessante Stadt im Süden zu fahren und da eine Weile in einem Café zu arbeiten, als Kontrast eine Weile auf einer abgelegenen Farm zu arbeiten und dann vielleicht die Freude an der neuseeländischen Landschaft wiederzuentdecken. Sollte das nicht genügen, wäre auch ein kurzer Trip ins kleine Land nordwestlich von Neuseeland eine Option. Aber das kann man ja spontan entscheiden...

Mittelerde

Donnerstag, 16.11.2017

Inzwischen habe ich das Auenland besucht und Bier im Grünen Drachen getrunken, bin am Schicksalsberg über - zugegebenermaßen schon kalte - Lavaflüsse geklettert (von oben sah es allerdings eher nach den Nebelbergen statt nach Mordor aus), Elben oder Hobbits hab ich leider keine gesehen. 

Die Wanderung am Schicksalsberg (andere mögen das als Tongariro Alpine Crossing bezeichnen) ist unheimlich schön. Mit einem ersten Ausblick auf die umliegenden zwei Berge bewegt man sich zunächst auf Holzpfaden durch ein sumpfähnliches Gebiet, bevor man beginnt, den eigentlichen Pass zu erklettern. Zum Hoch- und Höhepunkt hin wird der Weg immer steiler und immer steiniger (massenweise Vulkangestein), das Wasser gefriert teilweise und die Sicht wird immer schlechter, alles verschwindet in riesigen Wolken. Oben angekommen brechen plötzlich alle Wolken auf, die Sonne scheint, es wird warm, man überblickt einen roten Krater und ein riesiges Tal sowie drei blaue und türkisfarbene Seen (die Farbe entsteht durch irgendeine Schwefelverbindung; müsste man mal einen Chemiker fragen, was das ist). Darauf folgt ein langer Weg durch wieder bewachsene und von Bächen durchzogene Felslandschaften, erneut tolle Ausblicke auf weite Felder, einen großen See und Berge, abschließend läuft man durch einen ein dschungelartigen Wald. 


Nach nur zwei Tagen in der kleinen, aber wirklich schönen Kaffeehauptstadt Neuseelands (die nebenbei auch die offizielle Hauptstadt ist) geht's fürs Erste weiter auf der Südinsel, wo noch weniger Menschen leben (in ganz Neuseeland leben nur vier Millionen Menschen, dafür 30 Millionen Schafe...) und die Landschaft noch schöner sein soll als im Norden.

Benebelt

Mittwoch, 08.11.2017

Echt komisch, einfach zwei Wochen mit Menschen, denen man nie zuvor begegnet ist, in einem Haus wie als Familie zu leben. Trotzdem definitiv gut, um Insidertipps für Stadt und Region sowie Unterkunft und jede Menge Essen fast umsonst zu erhalten. 

Aber die Reise geht weiter. 

Eine Stunde südlich von Tauranga befindet sich Rotorua, ein Zentrum der indigenen Kultur. Hier gibt es überall kleine Dörfer, die man für viel zu viel Geld oder auch ganz heimlich betreten kann. Dort begegnet man Maori, traditionelle Tänze und Gesänge vortragend, die entweder eher nach Kriegsgeschrei klingen oder im Gegenteil an moderne Balladen erinnern, leider auch zahlreichen Touristen und, die Atmosphäre schwächend, viel zu angepassten, viel zu "westlichen" Geschäften. 

Total faszinierend ist natürlich wieder die Landschaft: Aufgrund hoher vulkanischer Aktivität unter Rotorua gibt es in der ganzen Stadt Quellen brodelnden Wassers und schwefliger Dämpfe, die Pflanzen auf bizarre Weise verfärben und unheimliche, aufregende, wunderschöne Nebellandschaften erschaffen.